Epilepsie und Schwangerschaft
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Menschen mit Epilepsie haben verständlicherweise, wie viele andere auch, den Wunsch, eine Familie zu gründen. Sie fragen sich vielleicht, ob diese Erkrankung einer Schwangerschaft oder Geburt im Wege steht – oder welche Gefahren es für das ungeborene Kind gibt, wenn während der Schwangerschaft anfallssuppressive Medikamente eingenommen werden.
Die gute Nachricht zuerst: Bei den allermeisten von Epilepsie betroffenen Paaren steht der Erfüllung des Kinderwunsches nichts im Weg. Es ist trotzdem wichtig, dass Sie sich von Beginn an gut begleiten und beraten lassen.
Wenn Sie oder Ihr(e) Partner*in eine Epilepsie haben und Medikamente gegen die Erkrankung einnehmen, sollten Sie bereits bei aufkommendem Kinderwunsch den Kontakt zu Ihren behandelnden Ärzt*innen suchen. In einem ausführlichen Beratungsgespräch werden Sie erfahren, welche Schritte zur Planung einer Schwangerschaft im Vorfeld wichtig sind. Hierzu gehören evtl. auch eine Umstellung der Medikamente vorab und die Überprüfung der Wirkstoffkonzentrationen in Ihrem Blut. Einige Wirkstoffe sind dafür bekannt, fruchtschädigend zu sein, also dem Embryo in seiner Entwicklung zu schaden. Vor dem Eintritt einer Schwangerschaft sollte also bei Frauen, die solche Substanzen einnehmen, unbedingt eine Umstellung der Medikamente erfolgen.
Sie werden genauso, wie jede andere Schwangere auch, dazu angehalten, 400 Mikrogramm Folsäure bereits einige Zeit vor dem Eintritt einer Schwangerschaft einzunehmen, um der Gefahr von Fehlentwicklungen vorzubeugen. Und natürlich gelten auch für Sie die allgemeinen Empfehlungen für eine gesunde Lebensweise, die den Verzicht auf Alkohol und Tabak und eine ausgewogene Ernährung zur Vorbereitung auf eine Schwangerschaft einschließt.
Auch bei Menschen mit Epilepsie ist die Möglichkeit für eine Kinderwunschbehandlung gegeben, wenn es mit dem Schwangerwerden nicht klappt. Und die Erfolgsaussichten sind genauso gegeben wie bei Paaren ohne Epilepsie.
Viele von Epilepsie betroffene werdende Eltern stellen sich die Frage, ob ihr Kind ebenfalls ein erhöhtes Risiko aufweisen wird, an einer Epilepsie zu erkranken. Diese Gefahr stellt sich nur bei Epilepsieformen, die genetisch bedingt sind. Die relativ häufig vorkommenden genetischen generalisierten Epilepsien (oder idiopathische generalisierte Epilepsien) sind jedoch nicht auf einen einzelnen identifizierbaren Gendefekt zurückzuführen, sondern haben meistens multifaktorielle Ursachen. Das Risiko für Nachkommen, ebenfalls eine genetische generalisierte Epilepsie zu entwickeln, beträgt daher lediglich drei bis sechs Prozent. Die allermeisten Babys kommen also gesund zur Welt, selbst wenn genetische Ursachen vorliegen.
Bei monogenetisch verursachten Epilepsien, also Erkrankungen, die auf die Mutation eines einzigen Gens zurückzuführen sind, ist die Wahrscheinlichkeit der Weitergabe der Erkrankung an die Nachkommen deutlich erhöht. Bei einem betroffenen Elternteil kann das Risiko einer Vererbung hier bis zu 50 % betragen. Sprechen Sie mit Ihrem Neurologen oder Ihrer Neurologin darüber, welche Art der Epilepsie bei Ihnen vorliegt und wie hoch das genetisch bedingte Risiko für Ihre Nachkommen ist.
Männer erkundigen sich in der ärztlichen Praxis vor allem danach, wie sich die Erkrankung Epilepsie und die einzunehmenden Medikamente auf die Libido und die Potenz auswirken. Auch Fragen zu einer möglichen Veränderung der Spermienqualität werden aufgeworfen. Hier kann beruhigt werden: Es ist unwahrscheinlich, dass anfallssuppressive Medikamente einen Effekt auf die Spermienqualität haben!
Im Idealfall haben Sie sich bereits vor der Schwangerschaft von Ihrem Neurologen oder Ihrer Neurologin beraten lassen. Wenn eine Schwangerschaft eingetreten ist, sollte Ihr Weg sowohl in eine gynäkologische Praxis, aber auch zurück in Ihr Epilepsiezentrum oder zu Ihrer niedergelassenen neurologischen Praxis führen. Hier wird dann noch einmal ein aktuelles EEG durchgeführt, es wird geprüft, ob Sie medikamentös gut eingestellt sind, die Blutspiegel Ihrer Medikamente und andere Blutwerte werden ermittelt und ggf. wird daraufhin die Medikamentendosis angepasst, denn durch Stoffwechselveränderungen in der Schwangerschaft wird möglicherweise ein höherer Anteil der Medikamente ausgeschieden und diese Ausscheidungsrate verändert sich im Verlauf der Schwangerschaft.
Die Häufigkeit Ihrer neurologischen Kontrolluntersuchungen während der Schwangerschaft richtet sich nach Ihrer individuellen Situation.
Vermutlich wird Ihnen auch durch Ihre gynäkologische Praxis ein intensiveres Vorsorgeprogramm im Rahmen der Schwangerschaftsbegleitung angeboten. Schwangerschaften bei Epilepsiepatientinnen gelten als Risikoschwangerschaften. Vorteilhaft daran ist, dass Sie dann Anspruch auf eine höhere Zahl an Organultraschalluntersuchungen als üblich haben.
Im besten Fall gehen die gynäkologische und neurologische Beratung Hand in Hand und beide Fachrichtungen begleiten Sie gut und partnerschaftlich durch diese aufregende Zeit.
Wenn Sie medikamentös gut eingestellt sind, müssen Sie während der Schwangerschaft keine Sorge vor häufigeren epileptischen Anfällen haben. Ihre Medikamente wirken – bei angepasster Dosierung – genauso gut wie außerhalb einer Schwangerschaft. Wenn in der Schwangerschaft Anfälle auftreten, sind diese für die werdende Mutter auch nicht gefährlicher als außerhalb der Schwangerschaft. Für das Kind sind kleinere fokale Anfälle ebenfalls nicht gefährlich. Das Kind hat ein eigenes Hämoglobin, also einen eigenen Sauerstofftransporter im Blut, und ist somit gut versorgt. Große Anfälle mit Stürzen der Mutter, wenn diese häufiger sind oder besonders lange dauern oder sich sogar zum Status epilepticus entwickeln, können hingegen gefährlich sein. Ältere Beobachtungen haben gezeigt, dass Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft häufiger tonisch-klonische Anfälle hatten, sich etwas weniger gut entwickeln und möglicherweise später in ihren geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt sind. Eine gute medikamentöse Einstellung ist daher sehr bedeutsam.
Viele Patientinnen mit Epilepsie befürchten, dass sie unter der Geburt einen epileptischen Anfall bekommen und den ganzen Kreissaal durcheinanderbringen könnten. Dieses Risiko ist sehr gering und beträgt nur zwischen maximal ein und drei Prozent. Worauf Sie aber auf jeden Fall achten sollten ist, dass Sie einen ausreichenden Vorrat an Medikamenten in Ihrer Kliniktasche und am besten auch in allen Handtaschen haben, weil Ihr Aufenthalt in der Geburtsklinik länger als erwartet dauern könnte und manchmal die besonderen anfallssuppressiven Medikamente im Kreissaal nicht vorrätig sind.
Viele Frauen fragen sich außerdem, ob sie unter der Geburt eine periduale Anästhesie (PDA) zur Schmerzlinderung erhalten können. Dies ist ohne Probleme auch bei Epilepsiepatientinnen möglich. Eine Epilepsie ist auch keine Indikation für einen Kaiserschnitt, das heißt, jede Betroffene kann, genauso wie jede andere Frau, ihr Baby auf natürlichem Weg zur Welt bringen.
Unmittelbar nach der Geburt wird Ihr Kind besonders gründlich von einem Kinderarzt untersucht, z.B. um festzustellen, ob eine Trinkschwäche vorliegt. Die Geburt sollte also in einem Zentrum erfolgen, an dem auch Kinderärzte vor Ort sind und wo es – für den Notfall – auch eine Intensivstation gibt. Eine Hausgeburt oder eine Geburt im Geburtshaus sind daher nicht zu empfehlen.
Stillen ist der beste Schutz für Ihr Baby und solange es Ihrem Kind augenscheinlich gut geht, es ausreichend trinkt und wächst, spricht nichts gegen das Stillen. Die Medikamente, die Sie selbst einnehmen, gehen zwar in die Muttermilch über, aber Ihr Kind kennt die Substanzen bereits aus dem Mutterleib. Wenn Sie mit der Zeit immer weniger stillen, dosieren Sie damit gleichzeitig die Medikamente, an die Ihr Baby bereits gewöhnt ist, langsam aber sicher ab.
Nach Geburt und Schwangerschaft verändert sich der Körper der Frau erneut und die Wirkstoffe werden langsamer abgebaut und ausgeschieden. Aus diesem Grund ist nun meist erneut eine Dosisanpassung der eingenommenen Medikamente nötig. Wird dies vergessen, kann es zu einer Überdosierung kommen, was sich in Schwindel, Doppelbildern, Übelkeit, Erbrechen und Gangstörungen äußern kann. Normalerweise sollte nach der Entbindung daher innerhalb von 18-21 Tagen eine sukzessive Rückkehr zur ursprünglichen Medikamentendosis erfolgen.
Beachten Sie auch, dass Sie als junge Eltern möglicherweise, wenn Ihr Baby häufig aufwacht und weint, eine gestörte Nachtruhe haben werden. Schlafentzug kann die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Anfällen unter Umständen erhöhen. Binden Sie von Anfang an Ihren Partner oder Ihre Partnerin bei der nächtlichen Versorgung des Babys mit ein. Es kann bereits eine große Hilfe sein, wenn Ihnen das Baby angereicht wird, wenn es Durst hat.
Bei der Säuglingspflege muss zudem darauf geachtet werden, dass die von Epilepsie betroffene Person das Baby nicht alleine badet und den Kinderwagen immer sicher feststellt. Babys können auch auf dem Boden statt auf einem hohen Wickeltisch, von dem sie herunterfallen könnten, gewickelt werden. Lassen Sie es nicht zu Situationen kommen, bei denen Ihr Kind durch einen epileptischen Anfall einer Betreuungsperson in Gefahr geraten könnte.
Haben Sie keine Angst!
Über 95% der Schwangerschaften von Frauen mit Epilepsie verlaufen sehr gut, wenn sie gut geplant und betreut werden. Gehen Sie frühzeitig in ein Fachzentrum, reden Sie dort mit Expertinnen und Experten, die sich mit dem Thema auskennen und starten Sie zuversichtlich in die Zukunft mit Kindern.
Noch mehr zum Thema ...
- In der 19. Folge unseres Bonner Epilepsie-Podcasts „Scharfe Welle“ sprechen wir mit PD Dr. Randi von Wrede über Schwangerschaft und Geburt bei Epilepsie.
Hören Sie doch mal rein!
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